Dr. Bettina Wehner
Dr. Bettina Wehner
roter Punkt
Rente mit 67?

Auf dem 10. Deutschen Seniorentag 2012 (3.-5. Mai) hat sich Bundespräsident Joachim Gauck für eine flexible Altersgrenze ausgesprochen, während Bundeskanzlerin Angela Merkel aus fiskalischen Gründen bei der bereits beschlossenen Rente mit 67 bleibt. – Dazu ist zu sagen, dass es natürlich möglich sein muss, dass die Senioren auch jenseits einer gesetzlichen Altersgrenze eine verantwortliche oder im Idealfall sogar erfüllende Tätigkeit übernehmen; alles andere wäre Altersdiskriminierung. Tatsächlich wird viel zu wenig differenziert. Es gibt nämlich "die Alten" als Gruppe nicht. Neben Aktiven, die noch Verantwortung wollen, brauchen viele ältere Menschen schon vor der offiziellen Altersgrenze den Schutz der Gesellschaft. Viele Ältere fühlen sich jenseits des 60. Lebensjahrs verbraucht. Daher muss das Augenmerk der Sozialpolitiker und der Gewerkschaftler sich in stärkerem Maße als bisher auf die Anpassung der Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer richten.

Es ist doch so, dass die wenigsten Menschen in ihrem Leben einen Traumjob erhalten, bei dem größtmögliche Freude an der Arbeit die Mühe und Anstrengung mehr als aufwiegt. Beileibe nicht jeder ist – bildlich gesprochen - so eine Art Picasso, den es unter allen Umständen an die Arbeit treibt. Auch ist es kein Geheimnis, dass die Job-Befriedigung bei Berufsgruppen mit eher geringer oder angelernter Qualifizierung tendenziell niedrig ist. Für diese Berufsgruppen kann die sich abzeichnende Altersgrenze mit 67 ein Desaster sein. Diese Gruppen sind auch - zumal mit zunehmendem Alter - am stärksten von Arbeitslosigkeit bedroht. Zugleich beginnen sie in aller Regel ihr Erwerbsleben sehr jung und haben oft körperlich anstrengende Tätigkeiten zu verrichten; sie sind daher ab spätestens 60 gesundheitlich geschädigt und benötigen eine ihrem körperlichen Zustand angepasste Arbeit. Es wäre gut, wenn sie nach sagen wir 45 Berufsjahren ohne Abzüge in Rente gehen könnten, ohne Kürzungen hinnehmen und auf das Renteneintrittsalter warten zu müssen. So würden auch diese Gruppen sich geachtet fühlen und wissen, dass ihre Arbeit sich gelohnt hat. Das muss wieder erreicht werden.

Es sollte auch Aufstiegschancen für Menschen geben, die vom Leben weniger begünstigt wurden. Und hart arbeitende Menschen müssen auch belohnt werden. Es geht nicht, dass die unteren Schichten der Gesellschaft zu nur einer Gruppe zusammenschmelzen, die im Rentenalter ungefähr mit der Grundrente oder nur wenig mehr zu rechnen haben. Hier bleibt den Gewerkschaften noch Vieles zu tun übrig für eine gerechte Ordnung.
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Buchbesprechung – Sabine Bode: Die vergessene Generation, 2. Aufl. 2011.
„Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“ ist der Untertitel von Sabine Bodes Buch: „Die vergessene Generation“, das 2004 bei Cotta in Stuttgart und 2011 bei Piper in München in erweiterter und aktualisierter Fassung erschienen ist. Sabine Bode geht in ihren Recherchen von den Jahrgängen 1930 – 1945 aus. Sie schreibt in der erweiterten Fassung von 2011, dass es eine ganze Weile dauerte, bis sie begriff, dass Widersprüche in den Beiträgen der Befragten daher rührten, dass es sich „in Wahrheit um mehrere Generationen handelt“ (s. S. 15). In der Tat ist diese Generationeneinteilung nicht ganz schlüssig; ich habe – selbst im Jahre 1940 geboren – häufig einen Generationenbruch festgestellt zwischen den Jahrgängen mindestens der ersten Hälfte der 30er Jahre und den 40er Jahrgängen. Dagegen würde ich die Kriegsgeneration erweitern bis ca. 1950 – nämlich über die Währungsreform hinaus bis zur Gründung zweier deutscher Staaten 1949 und der Etablierung des Ost-West-Gegensatzes (s. NATO-Gründung 1949, Korea-Krieg 1950-1953).

Erst mit der Währungsreform frühestens war eine wesentliche Bedingung für die Nachkriegsgeneration erfüllt, deren Eltern so vorrangig mit Wiederaufbau beschäftigt waren. Das waren unsere Eltern auch, aber wir 40er Jahrgänge waren stärker durch die Kriegszerstörungen und die Mangeljahre geprägt. Das haben wir gemeinsam mit der Vorkriegsgeneration (1925-1938/39), die aber zudem noch die nationalsozialistische Erziehung über sich ergehen lassen musste, die Kindheit oder Jugend unterm Hakenkreuz. – Wie schwer es ist, mit den evtl. eigenen Irrtümern aus der Zeit des Nationalsozialismus fertig zu werden, kann man auch an Günter Grass’ jüngst veröffentlichtem Gedicht „Was gesagt werden muss“ sehen. Grass, 1927 geboren, fühlt sich berufen, zur heutigen Iran-Politik Israels Stellung zu nehmen, und riskiert damit seinen Ruf als „Trommler“ gegen nationalsozialistisches Unrecht.
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Altersbilder in der Gesellschaft

Im November 2010 wurde der sechste Altenbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Diese „Altersbilder in der&xnbsp;Gesellschaft“ wurden auch in den Nachrichten der BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen) vom Februar 2011 (S.8 - 25) ausführlich besprochen. Dass es nicht&xnbsp;eine statische Größe für „Alter“ in unserer Gesellschaft gibt, war&xnbsp;ebenfalls Voraussetzung für den Seniorinnen- und Seniorentag der GEW vom 9./10. Mai in Hannover, der unter dem Motto stand: „Altersbilder aktiv gestalten - Alter sozial absichern“. Besonders aufschlussreich für die „Altersbilder in der Gesellschaft“ war der Vortrag unter dieser Überschrift, den Prof. Andreas Kruse am 10. Mai hielt.

Die Tagung machte deutlich, dass in unserer Zeit eine Ausdifferenzierung von Altersbildern vor sich geht, die über den Begriff der „jungen Alten“ hinausgeht. Unterschiedliche Biografien führen zu eigenen Altersvorstellungen und umgekehrt. Politik darf sich daher nicht ausschließlich auf Fürsorge und Pflege richten. Vielmehr muss ein Rahmen geschaffen werden für vielfältige Einbeziehung älterer Menschen in die Gesellschaft. Z.B. muss in der Wirtschaft die Bereitschaft wachsen, ältere Menschen zu beschäftigen. Sie können mit viel know how aufwarten und die Unternehmenskultur bereichern, auch in höheren Positionen. Das bürgerschaftliche Engagement darf aber insgesamt nicht dazu führen, hauptamtliche Stellen einzusparen (s.u.). Politik und Gesellschaft sind gefragt, einen neuen Rahmen des Miteinanders der Generationen in der Arbeits- und Lebenswelt zu entwickeln. Die Teilhabe der Älteren am gesamtgesellschaftlichen Leben muss auf den Prüfstand; z.B. müssen die Altersgrenzen für Ehrenämter, etwa von Schöffen, neu durchdacht werden. Die Frage, ob man überhaupt eine feste Altersgrenze braucht, ob 65, 67 oder gar 70 Jahre, rückt dabei in den Fokus.

Hiermit ist ein ganz diffiziler Punkt markiert. Für Gewerkschaftler gehen an diesem Punkt der Betrachtung die Alarmglocken an, wie sich bei der Diskussion über „Altersbilder und Altersgrenzen“ auf dem SeniorInnentag in Hannover zeigte. Die Teilnehmer waren besorgt, dass die Öffnung der Altersgrenzen dazu führen würde, das Renteneintrittsalter nach oben zu verschieben, was einer indirekten Rentenkürzung gleichkomme. Dies sei ein Schritt hin zu weiterer Altersarmut.

Auf der anderen Seite ist die Ausdifferenzierung von Altersbildern eine Chance für ältere Mitbürger, das öffentliche Leben selbstbewusst mit zu gestalten. Die Lebenserwartung ist grob gesagt durchschnittlich auf etwa 80 Jahre gestiegen und kann weiter steigen. Aktivität im Alter führt wiederum zu mehr Gesundheit im Alter. Allerdings droht damit die Gefahr einer Instrumentalisierung der älteren Menschen für gesellschaftliche Belange. Dies, so die Bedenken, müsse unbedingt vermieden werden.

Die gestiegene Lebenserwartung bringt weiterhin im Bereich der medizinischen Versorgung Kostenprobleme mit sich. Ein gerechtes Gesundheitssystem für alle, das bezahlbar ist, bleibt bis auf Weiteres Zukunftsmusik. Einsatz von künstlichen Gelenken und Implantaten sowie die Apparatemedizin bergen hierbei ungelöste Probleme.

Ein schwieriges Thema ist die Selbstbestimmtheit. Über Patientenverfügung und Vollmacht hat Michael Rux (Leiter des Vorstandsbereichs Seniorenpolitik der GEW Baden-Württemberg) einen sehr klaren und einleuchtenden Vortrag gehalten, der auch als .pdf zugänglich ist.

Als Fazit der Tagung bleibt festzuhalten: Die älteren Menschen selbst können einen aktiven Beitrag leisten zu neuen Altersbildern. Hierbei können moderne Techniken eine Rolle spielen. Durch das Internet zum Beispiel können ältere Menschen „am Ball bleiben“ und kommunizieren. So kann, jedenfalls partiell, ein neuer Lebensentwurf im Alter gelingen. Es bleibt fest zu halten: „Altersbilder“ sind ein Thema für alle Generationen. Wenn es insgesamt eine Vielzahl von Lebensentwürfen im Alter gibt, verändert sich durch diese Ausdifferenzierung die Bedeutung von Alter im Rahmen der Generationenfolge. Das verändert dann auch das Verständnis von den Generationen und deren Miteinander. Damit verändert sich das Bild von Gesellschaft insgesamt.

Es bleibt Aufgabe des Staates, einen Rahmen zu schaffen für vielfältiges Engagement.